Weihnachten in Ugari
Weihnachten ist für viele Menschen eines der wichtigsten Feste im Jahr. Jede/r hat seine eigenen Vorstellungen von Weihnachten. Die praktizierten Bräuche und Abläufe des Festes sind bei den meisten Leuten jedes Jahr gleich.
So war es auch bei mir, bis ich Weihnachten in Ugari feierte. Der 24.12.2007 begann wie jeder andere Tag. In kurzen Hosen und Flipflops machte ich einen Spaziergang durchs Dorf um vielleicht ein Anzeichen von Weihnachten zu finden. Doch ich fand nichts Ungewöhnliches. Die glühend heisse Mittagssonne machte mir dann zu schaffen und verdrängte den Gedanken an den heiligen Abend vollends.Von Gesprächen mit meiner Gastfamilie wusste ich, dass es in Ugari nicht Brauch ist Geschenke zu verteilen oder einen Christbaum aufzustellen. Auch der Weihnachtsmann hat es von Amerika noch nicht in den kenianischen Busch geschafft.
Am Nachmittag lag ich daheim im Schatten eines Mangobaumes und versuchte ein Buch zu lesen. Doch immer wieder kamen mir Gedanken von früheren Weihnachtsfesten daheim im verschneiten Innsbruck. Je später es wurde, desto angespannter war ich. Würde das heurige Weihnachtsfest an mir spurlos vorüber gehen? Wie wird es mir gehen, ohne meine Familie, ohne Christbaum und Mette, all diesen jährlich wiederkehrenden schönen Bräuchen?
Ich verabschiedete die Hoffnung an Weihnachten ein weiteres Mal und fuhr mit dem Lesen fort. Doch es dauerte nicht lange bis ich wieder aufhören musste, da die ländliche Idylle durch einen lauten Klageschrei unterbrochen wurde. Meine Gastmama hatte ein Hendl geschlachtet. Da es Hendl nur zu wichtigen Ereignissen gab, meldete sich doch wieder der Weihnachtsgedanke zurück. Von dort an hatte ich keine Zeit mehr mit Lesen zu verschwenden. Ich machte mich auf um alle Einzelheiten zu erkunden.
In der Küche gab es bereits reges Treiben. Beide Feuerstellen brannten und die Mädchen bereiteten emsig verschiedene Speisen zu. Ich war überrascht, da sie normalerweise nur eine Feuerstelle benutzten und viel später zu kochen begannen. Im Haus fand ich meine Gastmutter mit ihren Enkeln. Sie putzten das Haus und schmückten die Stühle, Tische und Kästen mit den schönsten Häckeldecken. Mein Gastvater kam vom Markt und brachte Fleisch mit. Immer deutlicher wurde mir die Tatsache dass ich doch nicht auf Weihnachten verzichten musste.
Ich konnte davon ausgehen, dass es ein besonderes Essen geben würde. Daher machte ich mich zusammen mit Jakob, unserem damaligen Knecht, auf den Weg nach Kakrao. Am Markt angekommen, kauften wir Limonade für die ganze Familie, die wir anschließend mühselig eine halbe Stunde nach Hause schleppten. Als es langsam dunkel wurde, spürte ich zunehmend dass etwas besonderes in der Luft lag. Ich freute mich auf Weihnachten und war für die neue Erfahrung bereit.
Um ca. 9 Uhr abends tischten die Mädchen auf. Ich musste staunen, weil der Tisch fast nicht Platz für all die Töpfe und Schüsseln hatte. Es gab Reis und Maisbrei in großen Mengen, Fleisch, Fisch, Bohnen und Erbsen. Zusammengefasst: Alle in Ugari erdenklichen Speisen auf einen Haufen. Der Unterschied zum sonst sehr einfachen, eintönigen Essen beeindruckte mich. Es war klar dass nach diesem Mahl jeder satt sein würde. Ich stellte die Limonaden auf den Tisch und ließ damit die Augen meiner Geschwister, Nichten und Neffen noch mehr strahlen.
Nach dem Essen gab es den unverzichtbaren Schwarztee mit Milch. Während wir begannen, den Tee zu genießen, fing mein Gastvater eine Rede an. Im Schein einer Kerze berichtete er über die Geburt Jesu und deren Wichtigkeit für die Menschheit. Anschließend sangen wir ein paar Lieder und hielten eine kurze Andacht. In dieser einfachen aber sehr geborgenen Atmosphäre spürte ich, dass Weihnachten war. Ganz ohne Weihnachtsstress und Kaufrausch. Weihnachten ist gekommen, wie Jesus auf die Welt gekommen ist. Still und unbeachtet.
Simon Fitz
Die Wiltener Sängerknaben und das Organisationskomitee wünschen allen besinnliche Weihnachten und alles Gute für das kommende Jahr!